TV-Sender und Studios schaffen sich ab: alternative Inhalte besiegeln ihr Schicksal

Auf die Frage, was das Ende von Fernsehen und Film herbei führt hat Paul Graham von Y-Combinator einen einfache Antwort:

What’s going to kill movies and TV is what’s already killing them: better ways to entertain people.

Die Film- und TV-Industrie schaut verängstigt auf technologische Neuerungen und Veränderungen wie Filesharing, One-Click-Hoster, Automatenvideotheken oder Livestreaming und übersieht dabei schlichtweg die größte Gefahr: alternative Inhalte, die dazu noch einfacher verfügbar sind.

Künstliche Verknappung – schlechte Idee

Jahrzehntelang haben die TV-Sender und Studios ihre Verwertungsstrategien optimiert. Eines ihrer wichtigsten Werkzeuge dazu waren Verwertungsfenster, die den Zugang zu Inhalten nach Regionen, Zeiten und Medien reglementieren und für eine künstliche Verknappung des Inhalts sorgen. Diese Strategie wird nicht mehr nur dazu eingesetzt Erlöse zu optimieren sondern auch um Vertriebswege künstlich am Leben zu halten. Dies kann man zum Beispiel bei der DVD beobachten, deren Lebenszeit durch immer längere Wartezeiten für DVD-Verleiher wie Netflix und RedBox künstlich verlängert wird.

Restricting access to content is a bad business model in the age of a global network that costs practically nothing to distribute on.

Im Internet potenziert sich dieses Problem. Fred Wilson illustriert am eigenen Beispiel, wie ihn Verwertungsfenster vom eigentlichen Filmkonsum abhalten und er auf alternative Inhalte ausweicht – er ist kein Einzelfall. Hinzu kommt, dass es mittlerweile Studien gibt, die nahe legen, dass die sofortige Verfügbarkeit von Inhalten zum Beispiel dem Kino in keiner Weise schadet, wohingegen die Verzögerung eines internationalen Vertriebs die Piraterie fördert.

Doch es ist nicht nur die internationale Verfügbarkeit von Filmen und TV-Inhalten, die problematisch ist auch der digitale Vertrieb stellt sich schwierig dar und eine Besserung ist nicht in Sicht. Tristan Louis hat die Verfügbarkeit der Top 100 Filme aus 2010 und 2011 als Video on Demand untersucht und musste feststellen, dass lediglich 15 der Top 100 Filme auf iTunes und Amazon angeboten werden – damit hat sich die Situation im Vergleich zu 2010 deutlich verschlechtert, damals waren knapp 50 Filme verfügbar.

The pic­ture here actu­ally shows some­thing fairly dis­as­trous to peo­ple who hope that things are improv­ing in terms of avail­abil­ity of movies along the long tail.

Das Bild sieht bei digitalen Downloads nicht wirklich besser aus – in dieser Kategorie werden maximal knapp die Hälfte der Filme legal angeboten. Kann man die Zurückhaltung bei VoD noch irgendwie verstehen, erschließt sich mir die künstliche Verknappung bei digitalen Downloads nicht – hier wird schlicht und einfach Geld auf dem Tisch liegen gelassen.

Die Liste der künstlichen Verknappung lässt sich beliebig fortschreiben, ob in England oder in Deutschland, wo nicht einmal die Hälfte der Sender als Livestream zu sehen sind und die Mediatheken einem Flickenteppich gleichen. Nicht umsonst musste Bitbop nach knapp einem Jahr wieder schließen – sie hatten einfach keine attraktiven Inhalte, die Nutzer davon überzeugen konnten die monatliche Gebühr zu entrichten.

Hochwertige Inhalte sind gefragt

Der Netflix Start in England zeigt jedoch sehr deutlich, dass hochwertige Inhalte immer wichtiger werden um Nutzer zu gewinnen und Internet-Plattformen zu vermarkten. Lovefilm und Netflix wetteifern um streaming Rechte und versuchen sich gegenseitig mit exklusiv Deals auszustechen. Doch die streaming Plattformen haben auch erkannt, dass sie sich darüber in eine enorme Abhängigkeit von den Studios und Sendern begeben.

Eine nachhaltigere Strategie ist es über Eigenproduktionen die eigene Position zu festigen. Es verwundet also nicht, dass sowohl Netflix als auch Hulu fleißig in originär für ihre Plattformen produzierte Inhalte investieren. Auf Hulu lief gerade Battleground an. Eine Comedy-Serie Rund um eine Wahlkampagne in Wisconsin.

Netflix schickt dagegen Lilyhammer ins Rennen in der Steven Van Zandt seine besten Sopranos Zeiten wieder aufleben lässt und in Norwegen untertauchen muss.

Doch damit nicht genug. Hulu versucht weiteres Kapital einzusammeln um mehr originäre Inhalte produzieren zu können und Netflix hat bereits $300 Millionen für Eigenproduktionen in 2012 zur Seite gelegt. Netflix sieht sich deshalb auch nicht mehr in Konkurrenz zu anderen Internetplattformen sondern zu den großen Premium Networks wie HBO und Showtime, die sich ebenfalls über ihre Produktionen von der Konkurrenz abheben.

Alternative Videoinhalte

Die Studios und TV-Sender tun sich keinen Gefallen damit, dass sie den Zugang zu ihren Inhalten einschränken, denn während Hulu und Netflix das Premiumsegment des Marktes angreifen rollen YouTube und viele Prominente das Feld von hinten auf. Immer mehr große Namen aus Hollywood von Tom Hanks über Jennifer Lopez und Kevin Spacy bis hin zu Tony Hawk produzieren originäre Videoinhalte für das Web. Yahoo und YouTube sind hierbei die wichtigsten Partner der Promis. Vor allem YouTube versucht seine Plattform mit Prominenten aufzuwerten.

Hinzu kommen die existierenden großen YouTube-Partner wie Maker Studios, Machinima oder Vevo, die ebenfalls ihre Produktionen für YouTube intensivieren und ausbauen. Im Dezember erreichte Machinima auf YouTube knapp 23 Millionen Zuschauer, die jeweils über eine Stunde Videomaterial sahen. Zum Vergleich Tuner Digital (CNN, SportsIllustrated, tbs, Cartoon Network etc.) erreichte auf seinen Seiten 27 Millionen Videozuschauer für 27 Minuten. Im Internet können es YouTube Kanäle also schon locker mit etablierten Medienmarken aufnehmen und die nun von YouTube beauftragten und geförderten Kanäle dürften in einer ähnlichen Liga spielen.

YouTube sieht sich dabei als Enabler, der versucht den Markt, die Nachfrage und die Inhalte zu entwickeln ähnlich der Strategie der Kabelnetzbetreiber, die in ihrer Anfangszeit die TV-Cable-Networks förderten damit diese attraktive Inhalte für die neuen Kabelanschlüsse produzierten. Die exklusive Produktion für YouTube hat noch einen weiteren Grund. Angesichts der Tatsache, dass es fast unmöglich ist weltweite Rechte für existierende Inhalte zu erwerben bieten die originär produzierten Inhalte den Vorteil, dass sie nicht mit komplexen Verwertungsfenstern und regionalen Beschränkungen behaftet sind, was eine weltweite Auswertung der Inhalte erlaubt.

Alternative Inhalte: Spiele

Es sind jedoch nicht nur alternative Bewegtbildinhalte, die zur Gefahr für Hollywood werden sondern auch alternative Unterhaltungsformen wie Spiele und Applikationen. Paul Graham hat bei seiner Aussage wohl eher an Angry Birds gedacht als an neue YouTube Kanäle. Rovios Erfolgsspiel wird täglich 300 Millionen Minuten lang gespielt – das entspricht immerhin 2% des täglichen TV-Konsums in Deutschland. Diesen Milestone hat Angry Birds innerhalb von zwei Jahren erreicht. Es ist also durchaus realistisch eine größere Verschiebung des Zeitbudgets in fünf bis zehn Jahren anzunehmen.

Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen

Whatever will change television will do so by re-defining the core product not just the tools we use to consume it.

Horace Dediu von Asymco

Ob GoogleTV, AppleTV, iTunes, Amazon, Megaupload oder thePirateBay keines dieser Unternehmen kann den TV-Sendern und Hollywood-Studios ernsthaft gefährlich werden, verbreiten sie doch letztlich nur die existierenden Inhalte auf neuen Wegen. Damit bedienen sie eine Nachfrage nach den Inhalten, die entweder von den Produzenten nicht bedient wird oder nicht komfortabel genug bedient wurde.

Indem die Sender und Studios den Zugang zu ihren Inhalte jedoch sehr restriktiv handhaben sorgen sie dafür, dass die Nachfrage nach alternativen Inhalten steigt und die Relevanz der eigenen Inhalte sinkt. Wenn Nutzer keine aktuellen Filme oder TV-Serien sehen können, dann werden sie eben den nächst besten Inhalt konsumieren und das können originäre Bewegtbilder für das Netz sein aber genauso gut Spiele und interaktive Applikationen auf Tablets und Smartphones. Nur über den einfachen Zugang zu ihren Inhalten können die Studios und Sender verhindern, dass sie eine ganze Generation an Games, Apps und Webvideos verlieren, die sie nicht wieder zurück erobern können. Diese Entwicklung ist meiner Einschätzung nach deutlich wahrscheinlicher als dass ein Startup den Film- und TV-Markt auf den Kopf stellt oder Piraterie zum Niedergang der Branche führt.


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