Videotrends in 2010 und 2011

Letztes Jahr zu dieser Zeit hatte ich fünf Prognosen für 2010 formuliert und es bietet sich an nun ein Resümee zu ziehen. Folgende fünf Trends für 2010 hatte ich damals angeführt:

  1. Internet auf dem Fernseher im Wohnzimmer. 2010 wird das Jahr werden in dem das Internet im Wohnzimmer auf dem großen Screen Realität wird.
  2. Discovery ist die neue Herausforderung. Ich erwarte für 2010 kreative Lösungen für dieses Problem, die wohl eher auf den Social Graph und Trending Topics zurückgreifen.
  3. Photo und Video wachsen zusammen. Schon jetzt können die meisten verkauften Kameras Videos aufzeichnen und sobald es etwas teurer wird können sie es auch in HD. Da liegt es nicht mehr so fern Weihnachten 2010 dieses Feature in den Vordergrund zu stellen.
  4. PayTV über das Internet wird kommen – und es wird groß!
  5. Integration von Distribution, Logik und Content. Aus diesem Spannungsfeld heraus werden wir eine Vielzahl von Kooperationen und Akquisitionen sehen, die versuchen diese Probleme gewinnbringend zu lösen.

Internet auf dem Fernseher im Wohnzimmer

2010 war das Jahr in dem allen bewusst wurde, dass das Internet früher oder später den großen Screen im Wohnzimmer erobern wird. Die großen Fernsehanbieter haben ihre Bemühungen um Apps und Browser auf dem TV intensiviert. Die Hybrid broadcast broadband TV (Hbb TV) Initiative hat ihre Spezifikation veröffentlicht und so den Weg für interaktive TV Applikationen geebnet. Google hat mit GoolgeTV ein großes Projekt gestartet mit dessen Hilfe der Erfolg von Android auf dem TV wiederholt werden soll. Apple hat für AppleTV den richtigen Mix gefunden und über 1 Million Geräte innerhalb kürzester Zeit verkauft. Roku hat von der erhöhten Aufmerksamkeit profitiert und mehr Geräte verkauft als jemals zuvor. Außerdem hat Boxee mit der Boxee Box eine interessante neue Option auf den Markt gebracht.

2010 hat für Konsumenten eine deutlich breitere Auswahl an Möglichkeiten bereitgehalten das Internet auf den Fernseher zu bringen. Viele neue Player haben sich 2010 in Position gebracht um ihre Dienste im Wohnzimmer auf den Fernseher zu bringen. Der Kampf um das Wohnzimmer hat damit natürlich erst begonnen. Vielleicht werden wir in 2011 erste Sieger erkennen können.

Discovery als neue Herausforderung

Entgegen meiner Erwartung hat sich im Bereich der Discovery in 2010 nicht sonderlich viel getan. Mit zwei Ausnahmen:

Erstens haben sich Checkins für Medieninhalte etabliert. Mit GetGlue, Miso und Tunerfish buhlen gleich drei Dienste um die Gunst der Nutzer. Während Miso und Tunerfish lediglich Checkins tracken offeriert GetGlue gleichzeitig jede Menge Vorschläge für neue Filme und Inhalte und hilft somit beim Entdecken neuer Filme.

Zweitens versuchen Film und TV Seiten ihr Angebot mit Open Graph Informationen von Facebook für die Nutzer relevanter zu gestalten. Sowohl IMDb als auch Rotten Tomatoes haben Facebook integriert und auch Clicker hat seine Discovery an Facebook angebunden um den Nutzern Empfehlungen ihrer Freunde anzubieten.

Photo und Video wachsen zusammen

Die Panasonic Lumix DMC-TZ10 EG-K hat momentan den Amazon Bestseller-Rang #1 in Kamera & Foto und natürlich bietet die Kamera Videoaufnahmen in HD mit Stereoton und das für etwas über 250 Euro. HD Videos sind damit definitiv auch in Konsumerkameras angekommen.

PayTV über das Internet wird kommen – und es wird groß!

Dieses Jahr wurde PayTV über das Internet definitiv erwachsen, wenn auch durch etwas anderen Anbieter als 2009 gedacht. Weder Google noch Apple haben ihre PayTV-Initiativen 2010 auf den Weg gebracht und auch die großen Kabelanbieter in den USA haben es nicht wirklich geschafft ihre TV-Everywhere Versprechen einzulösen. Einzig DISH Network hat es Dank der Schwesterfirma Sling Media fertig gebracht entsprechende Angebote auf den Weg zu bringen. Doch Comcast und Co. bleiben einiges schuldig.

Doch was den Kabelnetzbetreibern abging haben Netflix und Hulu mehr als wett gemacht. Netflix hat seinen Fokus in 2010 gänzlich weg vom DVD-Versenden hin zum online Streaming verschoben. Nicht zuletzt durch eine enorme Nachfrage der Nutzer nach den streaming Inhalten konnte Netflix in 2010 über 7 Millionen neue Kunden gewinnen, denen der DVD-Versand reichlich egal ist. Betrachtet man Netflix nicht mehr als DVD-Versender sondern als virtuellen PayTV-Anbieter kann man den Dienst in die Reihe der klassischen Multichannel Video Programming Distributors (MVPDs) einreihen. Nach Abonnentenzahlen ist Netflix in dieser Kategorie der drittgrößte Service.

Auch Hulu hat 2010 einen Schritt in Richtung PayTV gemacht. Mit Hulu Plus wurde ein Bezahldienst gestartet, der schon nach kurzer Zeit einen „signifikanten“ Anteil am Hulu Umsatzes ausmacht.

Angesichts dieser Erfolge werden die Studios aber auch die Kabelnetzbetreiber in den USA zunehmend nervös und versuchen nun die Entwicklung zu Kanalisieren indem sie es für Hulu und auch Netflix schwieriger machen an gute Inhalte zu gelangen.

Integration von Distribution, Logik und Content.

Für 2010 hätte ich deutlich größere Akquisitionen erwartet, da ich immer noch davon ausgehe, dass die vertikale Integration viele Vorteile für alle Beteiligten bietet. Nichts desto trotz wurden einige interessante kleinere Akquisitionen in Videobereich getätigt. Google hat in 2010 kräftig im zugekauft. Der Kauf von On2 Technologies wurde 2010 abgeschlossen und der VP8 Codec in das offene WebM Format überführt. Um besser auf die Bedürfnisse der großen Contentinhaber einzugehen wurde im April dann mit Episodic eine Online Video Plattform gekauft. Zudem hat Google im Dezember Widevine gekauft um das Digital Rights Management zu gewährleisten.

Neben Google war auch Limelight aktiv und hat sich mit Delve Networks ebenfalls eine Online Video Plattform geschnappt. Darüber hinaus hat Cisco ExtendMedia gekauft, AOL hat 5Min Media und StudioNow gekauft und kurz vor Weihnachten hat schließlich Rovi noch 720 Millionen für Sonic Soultions geboten, die wiederum DivX gekauft haben.

Sonstige Entwicklungen 2010

2010 hat Blockbuster, die größte Videoverleihkette der USA, Insolvenz angemeldet. YouTube ist weiter massiv gewachsen. Die deutschen Angebote haben weiter stagniert. Mobile Video hat weiter an Bedeutung zugenommen – nicht zuletzt dank des iPads und natürlich hat HTML5 Video sehr viel Aufmerksamkeit genossen.

Trends für 2011

Nach der Rückschau nun ein kleiner Ausblick in 2011. Hier meine fünf Vorhersagen für 2011:

  1. Twitter als Interaktive TV Plattform. Im nächsten Jahr wird sich Twitter als interaktive TV-Plattform etablieren. Schon jetzt wird fleißig zu verschiedenen Fernsehereignisse getwittert aber im nächsten Jahr werden Tweets Teil verschiedener Shows werden und als natürliche Erweiterung des TV-Programms dienen. Das Bedeutet die Interaktivität des Fernsehens wird auf Twitter verlagert. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten von Abstimmungen über Handlungsanweisungen bis hin zu direktem Feedback zurück ins TV.
  2. Erste Killer-Applikationen für den Fernseher. Nächstes Jahr werden wir erste Applikationen sehen, die nicht nur existierende Inhalte neu verpacken sondern das Medium geschickt nutzen und dabei nicht primär auf Video zurückgreifen. Ähnlich wie bei iOS und Android werden sicherlich Casual Games eine wichtige Rolle spielen aber auch interaktive Shows oder Verkaufsanwendungen könnten Kapital aus den neuen Möglichkeiten der Connected Devices schlagen.
  3. Der Browser als TV-Plattform. Das Web ist schon jetzt auf den meisten Connected Devices verfügbar, wenn auch oft nur über eine Appstore oder Umwege zu erreichen. Nächstes Jahr werden wir viele neue HTML5 Video-Anwendungen sehen und für die Connected Devices wird sich zeigen, dass alle profitieren, wenn sie sich auf einen gemeinsamen Standard einigen und so wird sich letzen Endes auf diesen Geräten auch der Bowser durchsetzen.
  4. TV Angebote der großen Player. Google und Apple haben es dieses Jahr versucht und nicht geschafft aber 2011 lassen sie nicht noch einmal verstreichen ohne ein eigenes TV Angebot zu lancieren. Google hat nicht umsonst kräftig zugekauft und dazu noch mit Malik Ducard von Paramount und Robert Kyncl von Netflix zwei Content Experten eingestellt. Auch Apple will sein neues Rechenzentrum in North Carolina endlich einsetzen und ein TV-Subscription Service anbieten. Es wird interessant werden für Hulu und Netflix, wenn diese beiden Dienste auf den Weg kommen.
  5. Cross Screen Video. Apples Airplay und GoogleTVs Fling deuten an, was kommen wird. Videos werden in Zukunft zwischen Geräten nahtlos hin und hergeschoben. Ein Video Angebot, dass nur noch auf den PC, dem Handy oder dem Fernseher existiert wird es in 2011 sehr schwer haben. Die Nutzer erwarten, dass Videos auf allen ihren Geräten abspielbar sind und das möglichst synchron und nahtlos. Deshalb werden wir in 2011 viele neue Entwicklungen rund um eine Bewegtbildexperience erleben, die mehrere Geräte umfasst.

2011 wird das Jahr der Inhalte

Ging es in 2010 hauptsächlich noch um Technologie und Geräte wird es 2011 hauptsächlich um die Inhalte gehen. Es stehen viele neue Contentverhandlungen an. Google, Apple und auch Netflix müssen Verträge (neu) verhandeln. Zudem werden neue Inhalte (Apps) geschaffen, die auf Connected-Devices zugeschnitten sind und es werden existierende Inhalte angereichert und erweitert werden durch Twitter und neue Dienste, die sich ganz darauf konzentrieren den Bewegtblidkonsum im Netz interaktiver und geselliger zu gestalten. Somit erwarte ich für 2011 wieder einige gänzlich neue Ideen und Startups, die sich dieser Herausforderung annehmen.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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