What would Gugel do? Disrupt the Telcos!

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Google hat ein Problem. Der Federal Court hat gerade festgelegt, dass die FCC (Federal Communications Commission) kein Recht hat die Netzneutralität durchzusetzen. Damit haben Comcast und andere ISPs freie Hand, wenn es darum geht z.B. Bittorrent Traffic zu drosseln oder eigene Dienste bevorzugt über das Netz zu schicken.

Vor allem seit Google YouTube übernommen hat findet sich der Konzern immer wieder im Kreuzfeuer der ISPs, die behaupten Google würde einen „Free Ride“ auf ihren Netzen vornehmen ohne, dass dabei etwas greifbares für die Netzbetreiber herausspringt. Es stimmt zwar, dass Google kaum etwas für die benutzte Bandbreite bezahlt, weil es über enorme Peering-Kapazitäten (Traffic-Tausch) verfügt, trotzdem erinnert gerade das neuste Lamento der Europäischen Telcos sehr an das leidlich bekannte Google-Bashing der Verleger.

Doch anders als die Verleger sind die Telcos (noch) nicht so von Google abhängig, dass sie der Suchmaschine durch nachteilige Behandlung des Google-Traffics nicht Schaden zufügen könnten. Gerade vor diesem Hintergrund macht es Sinn für Google nach Wegen zu suchen, wie man die Telcos aus dem Spiel nehmen kann.

Ein erster möglicher Ansatz wurde in den USA mit dem Gigabit Experiment gestartet. Dabei will Google Haushalte mit einem Gigabit anbinden und stellt nebenbei noch die „Last Mile“ anderen Netzwerken zur Verfügung, so dass die Netzwerke nicht mehr auf der letzen Meile sonder im Kern konkurrieren. Eine radikale Abkehr von den traditionellen Netzwerkinstallationen in den USA. Natürlich sind die 50.000-500.000 Haushalten, die angeschlossen werden sollen, maximal ein Tropfen auf den heißen Stein, weshalb diese Initiative nicht die ganze Antwort sein kann.

Welches Produkt bietet Google an?

Das Experiment gibt jedoch einen Anhaltspunkt darauf, wie Google gedenkt die Telcos aus dem Markt zu drängen. Google geht dabei wie einst Apple vor. Apple war mit dem iPhone und dem iPod nicht der erste Anbieter und auch nicht der Anbieter mit den meisten Features, aber Apple hat die Regeln für beide Produktklassen verändert, so dass die etablierten Anbieter plötzlich mit Produkten konkurrierten, die in der Wahrnehmung der Kunden Meilenweit der Konkurrenz voraus waren. Etwas ähnliches plant auch Google. Der Zuspruch zum Experiment und die dadurch ausgelöste Euphorie zeigen wie sehnlich Endkunden, Städte und Gemeinden auf ein solches Angebot warten (Google Czar?, Google Kansas?)

Google will mit dem Angebot nicht alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen (Triple-Play oder was auch immer) sondern schafft eine neue Produktklasse mit der die Telcos vorerst nicht konkurrieren können. Das zeigt der Anspruch einer Gigabite Anbindung deutlich. Google will nicht einfach ein wenig schnelleres Internet in die Wohnungen legen sondern die schnellst mögliche Anbindung bereitstellen. Und wenn Google soviel Bandbreite in die Häuser legt, dann gibt es dafür nur einen Grund: Google wird über diese Leitungen massiv Videos, Filme und andere Bewegtbilder pushen. Diese Anbindung macht nur Sinn, wenn man mit dem Anschluss den entsprechenden Content mitgeliefert bekommt, der die Bandbreite auch ausschöpft.

Gelingt Google diese Bündelung haben die Telcos ersteinmal nichts mehr zu lachen, denn mit viel Anstrengung könnten sie vielleicht eine vergleichbare Bandbreite anbieten aber den Mix aus Bandbreite und bandbreiteninstensiven Services werden sie über Jahre hinaus nicht haben.

Wie kommt Google in den Markt?

Wie Will Richmond richtig vorrechnet ist es sehr teuer Fiber in jedes Haus zu legen. Er geht davon aus, dass das Experiment bis zu $750 Millionen kosten könnte. Aber gerade in Deutschland gibt es eine günstige und sehr attraktive Alternative zu diesem Vorgehen. Google könnte in Deutschland mit den Kabelnetzbetreibern kooperieren, denn in jedem Kabelhaushalt liegt bereits ein Anschluss der theoretisch deutlich über 1 Gbps Daten transferieren kann: das Coaxial-Kabel. Die Kabelnetzbertreiber sind ja bereits dabei ihre Limits auszutesten. 100 Mbps über Kabel Deutschland und 200 Mbps über Virgin Media (UK) gibt es bereits.

Um >1 Gbps via TV-Kabel zu übertragen müssen die Kabelnetzbetreiber aber einige Änderungen vornehmen, die gerade die Zusammenarbeit mit Google so wichtig machen.

  1. Die Coaxial-Kabel müssen relativ schnell nach dem Haus direkt an Backbones angebunden werden, ansonsten seht jedem Haushalt nur die Maximal mögliche Bandbreite geteilt durch die Teilnehmer zur Verfügung.
  2. Die Kabel Anbieter müssten TV abschalten und Frequenzen für den Datenverkehr frei machen.

Beim 1. Problem kann Google mit seinen massiven Dark-Fiber Kapazitäten und den vielen Rechenzentren helfen. Google könnte die Konnektivität im Backbone somit gewährleisten.

TV Umstellung auf IP

Die Lösung des 2. Problems ist deutlich komplexer, dafür aber auch um ein vielfaches disruptiver. Im Moment befinden sich die Kabelnetzbetreiber mitten in einem Technolgiewechsel. Sie müssen ihre Kunden davon überzeugen vom analogen Kabel auf DVB-C umzusteigen. Dazu müssen sie ihre Kunden entweder einen DVB-C Reciever zur Verfügung stellen oder ihnen den Kauf eines solchen nahe legen. Darüber hinaus bedeutet diese Umstellung, dass sie im Moment sowohl analoge als auch digitale Sender übertragen und zusätzlich dazu auch noch Spektrum für IP reservieren müssen.

Würden die Kabelnetzbetreiber jetzt auf IP umsteigen würden sie sich meiner Meinung nach einen Umstieg auf eine tote Technologie sparen. Wie Blu-Ray wird DVB-C zwar eine Marktpenetration erreichen, aber es ist von Anfang an klar, dass diese nicht von langer Dauer sein wird. Der IP Switch wird kommen und wenn die Kabelnetzbetreiber schnell handeln, sparen sie sich einen Technologiewechsel (DVB-C). Um den Umstieg auf komplett IP zu vollziehen benötigen die Kabelkunden eine IP-Box an ihrem Fernseher und hier kommt ebenfalls wieder Google ins Spiel. Google könnte mit der YouTube Infrastruktur, die technische Abwicklung übernehmen und die notwendigen Boxen bereitstellen. Nicht zuletzt arbeitet Google gerade an einer eigenen Google TV Set-Top-Box.

A strategic fit

Eine Allianz der Kabelnetzbetreiber mit Google in diesem Ausmaß hätte für beide Beteiligte enorme Vorteile:

  • Google hätte die Kontrolle über die Auslieferung seiner Services bis hin zum Endkunden und müsste sich über Netzneutralität keine Gedanken machen.
  • Google kann noch bandbreitenintensivere Services anbieten (HD-Filme, HDTV, Videokonferenzen, …).
  • Die Kabelnetzbetreiber können ihren Kunden ein konkurrenzloses Produkt anbieten, das ihnen die Telcos auf Jahre vom Leib hält.
  • Die Kabelnetzbetreiber können ihren Kunden einen guten Grund liefern in eine direkte Kundenbeziehung einzutreten.
  • Die Kabelnetzbetreiber kooperieren mit einem der Technologieführer im Internet und können so ihre Netze intelligenter und besser machen.

Disrupt the Telcos

Internetzugänge werden zur Commodity. Schon Heute sind die Wachstumsraten im Zugangsgeschäft bescheiden und einziger Silberstreif am Horizont ist das Mobile Internet, bei dem man hofft auf einige Jahre hinaus noch gute Margen zu erzielen, aber auch dort wird die Unterscheidbarkeit schnell nachlassen.

Gerade deshalb wäre der Markteintritt von Google mit einem Entertainment-Produkt, das sich nicht mit den klassischen Telco-Produkten vergleichen lässt so spannend. Google würde zwar zusammen mit den Kabelnetzbetreibern einen Anschluss bereitstellen, aber dies nur um den Nutzer die eigenen bandbreitenintensiven Services (TV, Video, Bewegtbild) in ausreichender Qualität zur Verfügung zu stellen und nicht auf den Goodwill der Telcos angewiesen zu sein. Was dann passiert hat Umair Haque schön beschrieben:

In a hyperconnected world, as media players are finding out the hard way, mere stuff’s a commodity. Service economics are superior: services are less risky, less capital intensive, higher skill, higher loyalty, and dramatically less imitable. The result is that service-centric businesses tend to have higher margins and create significantly more value than product-centric businesses. That’s why every economy (and sector) that transitions past the industrial era is built on them.

Es geht also nicht darum noch einen Internetanschluss anzubieten, sondern einen Service, der die User bindet. Was für ein gutes Geschäft man mit Services machen, kann hat Google gerade wieder in seinem Quartalsbericht gezeigt.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der monatlichen Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo Projekts der HTW Berlin.


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