Wer kontrolliert den Second Screen?

Vor kurzem hat Yahoo! into_now für $20-$30 Millionen gekauft. Dabei geht es bei der Akquisition nicht so sehr um die Nutzer – davon hat into_now nach 12 Wochen noch nicht so viele – sondern viel mehr um die Soundprint Technologie. Soundprint erlaubt anhand kurzer Audioclips festzustellen, welche Sendung gerade läuft. Nutzer können mit ihrem Smartphone und der into_now Applikation taggen, was sie gerade sehen ohne den Inhalt eingeben oder identifizieren zu müssen. Diese Technologie könnte Yahoo!s ConnectedTV Plattform einen Schritt weiter bringen und dafür sorgen, dass mehr Entwickler und Hersteller die Plattform als relevant ansehen.

Insbesondere eine Kooperation mit Pepsi zeigt zu was into_now fähig ist und wie die Plattform vor allem TV-Sendern Kopfschmerzen bereiten könnte. Wird mit into_now eine Pepsi Werbung gesehen und getaggt erhält der Nutzer eine Pepsi umsonst. Das Interessante daran ist, dass Pepsi so unabhängig von Quoten und anderen Messmethoden einen Einblick erhält wie und in welchem Umfeld die Werbung wahrgenommen wird. Wahrscheinlich sind die Nutzerzahlen von into_now im Moment noch zu klein um wirklich Schlüsse auf das gesamt Publikum zu zeihen, wenn sich Second Screen Applikationen weiter so gut entwickeln könnte dies jedoch bald der Fall sein.

Das beängstigende an dieser Entwicklung für die Sender ist, dass Drittanbieter wie into_now Dienste auf Basis des TV-Programms und der TV-Werbung anbieten können, ohne dass die Sender in irgendeiner Weise beteiligt sind. Es waren nicht die TV-Vermarkter, die den Zusatzdienst des Werbe-Taggings on-top zur TV-Werbung verkauft haben sondern die unabhängigen Vermarkter von into_now. Die TV-Sender laufen Gefahr den Second Screen an andere Anbieter zu verlieren. Anders als im SmartTV Umfeld in dem sie noch ansatzweise kontrollieren können was passiert (z.B. keine Overlays von Drittapplikationen auf ihrem Bild) sind sie beim Second Screen machtlos.

Second Screens Startups

Immer mehr Untersuchungen zeigen, dass die Nutzer gleichzeitig zum Fernsehkonsum im Netz sind. Vor allem während der Werbepause wird fast nicht mehr auf den Fernseher gesehen sondern auf das Handy oder den Laptop. Deshalb überrascht es nicht, dass sich lediglich 25% der Zuschauer an einen TV-Werbespot erinnern. Das sind schlecht Nachrichten für TV-Sender und zeigt wie wichtig plötzlich Lösungen wie die von SecondScreen Networks werden. SecondScreen Networks erlaubt es Werbebanner mit der Werbung im TV zu synchronisieren. Wenn also der Nutzer während der Werbepause im Netz surft sieht er trotzdem die gleiche Werbebotschaft.

Forschungen und Experimente der BBC haben gezeigt, dass die Nutzer durchaus erwarten im Netz ergänzende und passende Inhalte zum live TV zu bekommen. Bietet der Sender entsprechende Inhalte an, sind die Nutzer auch bereit diese zu besuchen statt sich mit Shoppen und Social Networks zu beschäftigen. Allerdings müssen die Inhalte im Netz mit dem Programm synchronisiert werden, so dass sie zum TV-Programm passen.

Bis jetzt sind es mit wenigen Ausnahmen jedoch nicht die Sendern, die synchronisierte Inhalte anbieten sondern Werbetreibende und Startups. Shazam bietet seinen Nutzern, wenn sie Syfy Inhalte taggen exklusives Bonusmaterial und Hintergründe.

Miso hat mit Miso Sync ein Experiment gestartet bei dem sie synchronisiert Schauspieler und Zusatzinformationen in der App einblenden und gleichzeitig versuchen so die Show interaktiver zu machen. Allerdings funktioniert Miso Sync momentan nur mit Boxee, da Miso ansonsten keine Informationen darüber hat, was der Nutzer sieht und wo er sich im Programm befindet.

Genau diese Restriktion zeigt das größte Problem, das Second Screen Applikationen im Moment haben: Sie wissen nicht was der Nutzer sieht und wo er sich im Programm befindet. into_now und Shazam sind dank des Audioprints weiter aber die Dienste funktionieren nur mit analysierten Daten. Läuft eine live Übertragung sind auch sie verloren. Synchronize.TV hat das Problem erkannt und möchte Second Screen Applikationen eine Schnittstelle bereit stellen, die genau diese Informationen liefert. Allerdings ist die API noch nicht verfügbar und es ist unklar wie gut die Informationen sind.

Second Screens Games

Die Daten müssen natürlich nicht unbedingt technisch erhoben werden. Sie können auch von einer Redaktion erstellt und veröffentlicht werden. Diesen Umstand hat sich Heineken für seine Star Player Applikation zunutze gemacht. Mit dieser Applikation konnten Nutzer während eines Champions League Spiels Tipps auf Events wie „Chelsea schießt in den nächsten 30 Sekunden ein Tor“ innerhalb des Spiels abgeben und die Nutzer erhielten daraufhin Punkte, wenn sie richtig getippt haben.

Die Applikation war über Smartphone und Facebook erreichbar und hatte einen starken soziale Komponente, die darauf abzielte, dass die Nutzer gegen ihre Freunde tippten und spielten. Heineken konnte dieses Second Screen Game machen, da es für Fussballspiele jede Menge an strukturierten Daten gibt, die fast in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Sie haben sich also mit dem tatsächlichen Events synchronisiert und mussten keine Rücksicht auf das TV-Signal nehmen. Dieser Weg bietet sich für alle Second Screen Applikationen an, die sich auf Events beziehen zu denen es bereits viele Daten gibt wie Sport und live Anlässe.

Second Screens sind mehr als Checkins

Die vorgestellten Entwicklungen zeigen, dass man auf dem Second Screen bedeutend mehr machen kann als lediglich einen besseren Programmführer mit der Möglichkeit in ein TV-Programm einzuchecken. Werden die Inhalte auf dem Second Screen mit den Inhalten im TV synchronisiert ergibt sich eine kohärente Experience.

Das synchronisieren mit dem TV-Inhalt stellt eine Herausforderung dar an der sich einige Startups versuchen. In der Zwischenzeit gibt es andere Wege um Inhalte zu synchronisieren was Heineken eindrucksvoll aufzeigt.

Die Fernsehsender hingegen laufen Gefahr, dass die Nutzer nicht mehr nur wegsehen sondern zudem rund um ihre Inhalte interagieren – dies jedoch auf Plattformen und in Applikationen tun, die sich ihrem Zugriff entziehen. Umso wichtiger ist es, dass die Sender versuchen hier eine gemeinsame Basis für den Second Screen zu schaffen und die letztens angesprochene Programm API bereitstellen. Ansonsten müssten sie für jeden Inhalt selbst eine Second Screen Applikation bereitstellen um mit den Angeboten Dritter zu konkurrieren und das dürfte sich als nicht praktikabel erweisen.

Eines zeigt sich auf jeden Fall sehr deutlich das Rennen um den Second Screen hat begonnen.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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