Hollywood entwertet digitale Formate durch UltraViolet

In den letzten Tagen ging UltraViolet, der dezidierte DVD- und Blu-Ray-Nachfolger an den Start. Warner Bros. hat über Flixter die ersten beiden Filme (Green Latern und Horrible Bosses) im neuen digitalen Format verfügbar gemacht. Der Launch macht zwei Probleme des neuen Formats offensichtlich, einerseits wird UltraViolet in der jetzigen Form zu einer Entwertung digitaler Formate führen und zweitens ist der Dienst zur Zeit maximal in einem Alpha-Stadium. Eventuell könnte UltraViolet zudem noch die Ablösung von DVD/Blu-Ray enorm beschleunigen und so zum Scheitern der ganzen Initiative führen.

Trotzdem verdient Hollywood Anerkennung für UltraViolet, denn ehrlich gesagt hatte ich – und andere – nicht erwartet, dass UltraViolet so weit kommt und dann auch noch über so liberale Nutzungsrechte verfügt. Die gekauften Filme können auf bis zu 12 Geräte übertragen werden, mit Freunden und Familienmitgliedern geteilt werden und auf bis zu drei Geräte simultan gestreamt werden. Diese Rechte machen UltraViolet zu einer attraktiven Alternative zur DVD und Blu-Ray.

Entwertung digitaler Formate

Zum Verhängnis des digitalen Formats könnte jedoch gerade eine Feature von UltraViolet werden, das darauf ausgelegt ist den Absatz von DVDs und Blu-Rays zu sichern. UltraViolet Filme lassen sich nämlich momentan nicht über die Warner Webseite oder einen anderen Store als digitale Kopie erwerben. Das digitale Format kann lediglich über einen Code eingelöst werden, der Blu-Rays und DVDs beiliegt. Der Schachzug soll dazu dienen den Absatz der klassischen Medien zu sichern. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass er ein fundamentaler Fehler ist, denn er führt dazu dass jeder Käufer im Endeffekt zwei Filme zum Preis von einem erwirbt. Bei der Einführung der Blu-Ray haben die Studios auch keine DVDs mit einer Blu-Ray als kostenlose Dreingabe verkauft – genau das machen sie jetzt mit den UltraViolet Codes.

Die Codes sind so attraktiv, dass sie losgelöst von den Datenträgern verkauft werden. Das Problem hierbei ist, dass sich ein Preis für UltraViolet Filme etabliert, der weit unter dem liegt was die Studios eigentlich für ihren Film ob digital oder analog verlangen. Man muss nur auf eBay suchen um festzustellen, dass man dort eine digitale Kopie von Horrible Bosses für $1,75 erwerben kann.

Dabei handelt es sich nicht um ein Video on Demand oder Katalogware, sondern um eine vollwertige uneingeschränkte digitale Kopie eines neuen Hollywood Films. Der Markt setzt also einen Preis für den Film der bei 10% der Summe liegt, die Hollywood normalerweise für diesen Film verlangt und genau dort liegt das Problem.

Wie will Warner es schaffen jemals digitale Kopien für sagen wir $10 zu verkaufen, wenn man jederzeit über eBay den gleichen Film in der gleichen Qualität mit den gleichen Features für $2 erhält? Hollywood ging wohl davon aus, dass die DVD- und Blu-Ray-Käufer die Codes selbst einlösen. Das werden wohl auch einige tun doch bedeutend mehr werden versuchen über eBay und andere Portale ihre Codes zu versilbern. Damit nehmen sie Hollywood die Möglichkeit den Preis zu bestimmen.

Natürlich kann es sein, dass irgendwo in den Nutzungsbedingungen der Verkauf von Codes ausgeschlossen wird. Doch solange man über einfaches Einfügen eines 12-stelligen Codes in ein Formularfeld einen kompletten Film freischaltet, kann der Handel mit diesen Codes nicht unterbunden werden. Das Schöne an den UltraViolet Codes ist zudem, dass es keine wirklichen Geo-Restriktionen gibt. Zwar wird darauf verwiesen, dass das Angebot für die USA gilt aber ein Geoblocking findet nicht statt – kann es auch nicht, denn sonst könnten US-Bürger ihre Filme nicht außerhalb der USA sehen. Somit dürften wir in Zukunft auch in Deutschland schnell und einfach über Codes an die neusten Hollywood-Streifen kommen.

Diese Entwicklung hat massive Implikationen für Hollywood. Die einzige Chance, die ich für die Studios sehe, ist zu erkennen, dass DVD und Blu-Ray tot sind und deshalb UltraViolet massiv und losgelöst von physikalischen Trägern vermarktet werden muss. Nur so können sie den Preis kontrollieren und bis zu einem gewissen Punkt die regionale Verbreitung steuern.

UltraViolet im Alpha-Stadium

Losgelöst von der Preisthematik hat UltraViolet noch einige Stolpersteine, die mehr der Usability und dem Konzept des Standards geschuldet sind. Ein Beispiel? Hier ist der Ablauf, den man durchlaufen muss um einen Film in UltraViolet zu laden.

  1. Man legt einen Account beim Verkäufer des Films an. In diesem Fall Flixter. Selbst wenn man dort einen Facebook-Login verwendet muss man trotzdem noch weitere Schritte durchlaufen.
  2. Man wird darauf hingewiesen, dass man einen UltraViolet Account benötigt oder sich mit seinem UltraViolet Account anmelden muss.
  3. Legt man einen UltraViolet Account an, dafür muss man alle Daten noch einmal angeben und wird auf die UltraViolet Seite verwiesen.
  4. Der Flixter Account muss mit dem UltraViolet Account verknüpft werden.
  5. Man muss die Einlöseseite des UltraViolet-Films aufrufen und dort durch den Einlöseprozess durchlaufen. 1) Login bei Flixter 2) Login bei UltraViolet 3) Eingeben des Codes 4) Freischalten des Films.
  6. Ansehen des Films als Stream über die Flixter-Seite oder Download des Films über die Flixter Adobe-Air Applikation.

Abgesehen davon, dass der Prozess ein wahrer Signup-Horror ist, lässt die Implementation zu wünschen übrig. Spätestens seit Twitter und Facebook Applikationen erlauben, gibt es genügend Beispiele wie man einfach und schnell zwei Webservices miteinander verknüpft. Die Verknüpfung von UltraViolet mit Flixter erscheint im Vergleich dazu wie aus einem anderen Jahrzehnt. Dieses Gefühlt zieht sich durch die komplette UltraViolet Applikation. Der Dienst wirkt an vielen Ecken nicht wirklich durchdacht und erst recht nicht mit Liebe zum Detail gestaltet, so kommt keine wirkliche Freude bei der Nutzung auf.

Neben diesen Usability Problemen gibt es meiner Einschätzung nach noch ein konzeptionelles Problem. Es ist für den Nutzer nicht wirklich klar was UltraViolet ist. Laut Selbstbeschreibung ist es ein „Digital Rights Locker“ in der Praxis ist es wenig mehr als eine Linkliste.

Wahrscheinlich laufen im Hintergrund hochkomplexe Prozesse ab für den Nutzer jedoch bedeutet das wenig. Er sieht auf UltraViolet seine Rechte muss jedoch wenn er die FIime sehen will wieder auf die Seite der Anbieter zurück. Somit fällt ein Argument für den zentralen Dienst – eine Anlaufstelle für alle Filme – flach. Theoretisch hätte die UltraViolet-Seite zu einem zentralen Shop und falls das nicht möglich ist zumindest zu einem zentralen Abspielportal für digitale Filme werden können. Beides sind Propositions, die Nutzer leicht verstehen. In der jetzigen Ausgestaltung stört die Seite mehr den Ablauf als dass sie einen Mehrwert bietet. Eine Linkliste zu gekauften Filmen ist den Aufwand nicht wert durch die ganzen zusätzlichen Schritte zu gehen.

Weichenstellungen für UltraViolet

Angesichts dieser Probleme bin ich gespannt wie sich UltraViolet weiterentwickelt. Erstens erwarte ich, dass Warner entweder versucht juristisch gegen den Code-Verkauf vorzugehen oder den Verkauf von DVDs und Blu-Rays mit Codes einstellt. Sollten die Auswirkungen zu massiv sein könnte das momentane Experiment auch dazu führen, dass weiere UltraViolet Initiativen vorerst auf Eis gelegt werden.

Zweitens sollten die Konsortiumsmitglieder schnell und nachhaltig an der Usability und der UltraViolet Proposition arbeiten um sie zu einem Angebot auszubauen, das Kunden spass macht. Die Konkurrenz steht bereits in den Startlöchern. Amazon mit dem Kindle Fire und Apple mit Movies in der Cloud werden versuchen ihre eigenen digitalen Formate zu etablieren und diese werden definitiv eine bessere Usability haben.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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