Deutsche TV Sender gegen den Rest der Welt

Der TV Markt ist reif für die Disruption – zumindest in den Augen von immer mehr Venture Capitalists, die Geld in immer neue TV Startups investieren. Auch die großen Internetplayer wie Google, Apple, Amazon, Facebook und Co. bringen sich in Position um ein möglichst großes Stück vom TV-Kuchen abzubekommen.

Die Ruhe vor dem Sturm

Wenn man den Aussagen und Aktionen der Sender folgt könnte man jedoch meinen, dass uns diese Aktivitäten in Deutschland nicht betreffen werden. Gerade erst haben ProSiebenSat.1 und RTL wiederholt solide bis gute Quartalszahlen vorgelegt und von einer Krise lässt sich dort nichts erkennen. Auch die Medienforschung erkennt seit Jahren keinen Trend, der auf eine Gefahr für die Deutschen TV Sender durch das Internet hindeuten könnte.

Es verwundert also nicht wenn sich die privaten Sender die Zeit nehmen und den vom Kartellamt untersagten Aufbau einer gemeinsame online Plattform vor Gericht durch zusetzten und alle anderen (gemeinsamen) Aktivitäten bis zur Klärung zurück zustellen. Der Weg durch die Instanzen hat schon bei den Programmdaten bestens geklappt. Dort konnten die Sender vor Gericht erwirken, dass Programmbegleitmaterialien wie Bilder, Trailer und Beschreibungen unter das Leistungsschutzrecht fallen und EPG-Anbieter Lizenzgebühren dafür zu entrichten haben. Bei den Öffentlich Rechtlichen Sendern wiederum versucht man die Produzenten zu befriedigen indem man ihnen ein gemeinsames kostenpflichtiges Video on Demand-Portal mit dem schönen Namen Germany’s Gold beschert.

Alles in Allem haben sich die Sender also eine wunderbare Ausgangsposition erarbeitet. Wenn jemand auf die Idee kommen sollte einen Service, eine App oder eine Plattform mit ihren Programmdaten zu starten wird er zur Kasse gebeten. Sollte ein Anbieter eine gemeinsame Plattform à la Hulu starten wollen wird er mit Hinweis auf das laufende Verfahren – das natürlich nicht gefährdet werden kann – vertröstet. Und über das VoD Portal Germany’s Gold werden in Zukunft zusätzlich signifikante digitale Erlöse erwirtschaftet werden – was bisher außer Apple mit iTunes noch keinem Anbieter in Deutschland gelungen ist.

Sender unter Druck

Trotzdem scheint es beim ZDF erste Zweifel daran zu geben ob die Position der deutschen TV Sender wirklich so komfortabel ist, wie es gemein hin dargestellt wird. Der Intendant Markus Schächter trommelt gegen Apple und Google und wird vom Handelsblatt wie folgt zitiert: „Wir müssen uns endlich verbünden. Die starren Fronten erinnern mich manchmal an den Stellungskrieg von Verdun.

Betrachte ich diese Situation fühle ich mich viel mehr an den Trojanischen Krieg erinnert. Die stolzen Trojaner (TV-Sender) haben sich hinter ihren starken Mauern (Urheberrecht/Leistungschutzrecht) verschanzt und die schöne Helena (Werbegelder/Inhalte) in Sicherheit gebracht. Die übermächtigen Griechen (Apple, Google, Amazon, Facebook, Sony, Netflix, Hulu und duzende Startups) machen sich derweil daran die Stadt zu belagern und stellen sich auf eine längere Auseinandersetzung ein.

Die Wette der Sender ist, dass die Mauern hoch und stark genug sind um dem Ansturm stand zu halten und keiner der neuen Anbieter einen Odysseus in seinen Reihen hat der ein trojanisches Pferd in die Stadt schleust. Diese Wette wird nicht aufgehen. Es geht um zuviel Geld, als dass sich Apple, Sony, Google, Microsoft und Amazon davon abschrecken ließen. Diese Firmen haben die finanziellen Mittel langfristig den Markt zu entwickeln oder sich in den Markt zu kaufen. Was passiert zum Beispiel, wenn Google die Bundesliga-Rechte für YouTube kauft? Oder der Kindle Fire zusammen mit Amazon Prime in Deutschland eingeführt wird? Und selbst wenn es keinem der Großen gelingen sollte die Mauern zu durchbrechen gibt es immer noch hunderte Startups, die daran arbeiten den TV-Markt auf den Kopf zu stellen.

Wenn es einem Anbieter erst einmal gelingt ein attraktives Bewegtbildangebot im Netz zu lancieren, wäre die Nutzerakzeptanz und die schnelle Verbreitung des Services in Deutschland sehr wahrscheinlich. Die Sender lassen zur Zeit ein enormes Potential ungenutzt indem sie darauf bestehen, dass die Nutzer Inhalte nur auf ihren Seiten konsumieren können. Obwohl 80% der Internetnutzer Videoportale besuchen und somit bereit sind Videos im Netz zu konsumieren, sehen nur 43% Programme auf den Senderseiten. Es verwundert also nicht weiter, dass Hulu mal wieder den Deutschen Markt sondiert und versucht einen Partner zu finden.

ZDF-Intendant Schächter hat in einem Punkt Recht, die Sender müssen zusammen arbeiten um nicht überrollt zu werden. Aber die Gefahr liegt nicht bei Apple und Google, diese Unternehmen könnten sich viel mehr als wertvolle Partner erweisen. Die Gefahr liegt viel mehr darin, dass sich die Sender zu sehr abkoppeln und die Entwicklung im Internet anderen überlassen. Indem sie ihre Inhalte wegschließen und jegliche Kooperation untereinander und mit Internetunternehmen vermeiden sorgen sie dafür, dass jeder nach Wegen um die Sender herum sucht. Sie sorgen dafür, dass sie den Wandel nicht gestalten sondern von ihm übergangen werden.

Zentrale Fragen der TV-Sender

Statt gemeinsam eine Position gegen Apple und Google zu erarbeiten sollten die Sender ihre Energie lieber folgenden Fragen widmen:

  1. Was macht einen Fernsehsender im Internet aus?
    Das Internet stellt Intermediäre vor große Herausforderungen. Die klassische Rolle als Vermittler zwischen Publikum, Produzenten und Werbetreibenden wandelt sich angesichts der Möglichkeiten zur Personalisierung, zum direkten Vertrieb und des individuellen Abrufs einzelner Inhalte. Hier stellt sich also für Fernsehsender die Sinnfrage.
  2. Wie können die Sender Reichweite für ihre Inhalte im Netz generieren?
    Angesichts der Millionen Menschen die jeden Tag im klassischen TV erreicht werden ist die Reichweite der Sender im Netz marginal und das liegt nicht daran, dass über das Internet nicht mehr Nutzer zu erreichen sind. Es ist schlicht utopisch anzunehmen, dass die Nutzer sich die Inhalte jeweils bei einem Sender abholen werden. Die Sender müssen viel mehr ihre Inhalte dorthin vertreiben wo die Nutzer sind.
  3. Was sind adäquate Inhalte für das Internet, wie können diese produziert und vertrieben werden?
    Das Internet ist nicht nur ein Vertriebsmedium für existierende Inhalte, sondern ermöglicht neue Formate jenseits des TVs. Diese Entwicklung wird gerade von Google mit YouTube massiv vorangetrieben. Sobald die neuen Inhalte eine gewisse Popularität erreichen dürfte es schwer werden die Zuschauer wieder für die durchschnittliche Fernsehkost zu begeistern.

Ein erster Schritt

Der einfachste Weg um mit den Internetunternehmen ins Gespräch zu kommen und mit ihnen zusammenzuarbeiten läge darin Schnittstellen und klare rechtliche Rahmenbedingungen anzubieten mit deren Hilfe die Unternehmen auf die TV-Inhalte zugreifen können. Statt sich abzuschotten böte eine Öffnung für neuen Services und Plattformen die Möglichkeit mit den Internetunternehmen auf Augenhöhe zu verhandeln und zusammen zu arbeiten. Denn sollte erst einmal eines der Unternehmen die Mauern überwunden haben wird jeder weitere Verhandlung auf ein Diktat von Forderungen hinauslaufen.

Dieser Beitrag erschien im Rahmen der Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo-Projektes der HTW Berlin. eVideo beschäftigt sich in ESF-geförderten, informalisierten Weiterbildungskursen mit verschiedenen Themen, um die Durchschlagskraft des Web 2.0 für die moderne Kommunikation zu erkunden.


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