Welches Betriebssystem treibt die Fernseher von Morgen an?

Im letzten Beitrag hatte ich die verschiedene Hardware-Lösungen vorgestellt, die es ermöglichen Internet ins Wohnzimmer auf den Fernseher zu bringen. Allerdings ist die Hardware nur die halbe Miete, das hat Apple mit dem iPhone eindrucksvoll bewiesen, deshalb möchte ich im zweiten Teil dieser kleinen Serie darauf eingehen, welche Software-Plattformen in diesem Feld konkurrieren und was ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind.

Je nach Plattform sind unterschiedliche Schichten und Features bereits implementiert. Prinzipiell kann man bei den Softwareplattformen grob folgende Layer unterschieden:

  1. Kernel: Er erlaubt die Ansprache der Hardware, der Videobeschleunigung und übernimmt das Speichermanagement.
  2. Application-Framework: Dieser Teil stellt Entwicklern Schnittstellen und Treiber zur Verfügung mit deren Hilfe sie eigene Applikationen für die Plattform entwickeln können. Im Idealfall bietet die Plattform ein Software Developer Kid (SDK), das den Entwicklern die Arbeit erleichtert.
  3. Presentation-Layer: Dort werden die Inhalte gerendert und dargestelt. Je nach Plattform erlaubt dieser Layer unterschiedliche Freiheitsgrade.
  4. Payment (optional): Natürlich ist es verlockend als Plattformanbieter auch gleich eine Payment-Schnittstelle anzubieten. Diese ist oftmals direkt in Appstores eingebunden und erlaubt es Entwicklern und Content Anbietern Geld für Applikationen und Inhalte zu verlangen.
  5. Digital Rights Management (DRM) (optional): Auch wenn ein DRM mittlerweile antiquiert erscheint, hat gerade die Film- und Fernsehindustrie noch Vorbehalte ihre Inhalte ohne DRM anzubieten, deshalb kann eine entsprechende Integration durchaus Sinn machen.
  6. Social Graph (optional): Eine Verknüpfung der Box mit Social Networks bzw. ein separater Login auf der Box eröffnen eine Vielzahl von Personalisierungsmöglichkeiten, von Favoriten über Empfehlungen bis hin zum persönlichen Programm.

Verhärtete Fronten

Es ist abzusehen, dass sich der momentan tobende Plattformkrieg bei den Smartphones auf die Internetboxen ausweiten wird. Erste Android Set-Top-Boxen sind bereits in der Mache und die Differenzen von Adobe und Apple über Flash könnten auf diesen Geräten noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Zudem wird nun auch Samsung auf der Party erwartet, denn der angekündigte Appstore für Fernseher und Blu-Ray Player wird auf lange Sicht sicherlich mit einem Handy-Appstore verschmelzen.

Neben der Diskussion um die richtige Softwareplattform gibt es in letzter Zeit eine angeregte Diskussion über den richtigen Videocodec. Gerade erst hat das MPEG LA die Gebühren für H.264 AVC bis Ende 2016 weiter ausgesetzt, doch die Sorge bleibt, dass es sich hierbei um einen „Drugsdealer Approach“ handelt. Erst den Codec umsonst hergeben, so dass er sich möglichst weit verbreitet um dann im zweiten Schritt horrende Preise dafür zu verlangen.

Leider gibt es im Moment kaum Alternativen zu H.264, denn Ogg Theora ist lange nicht so effektiv in der Kompression. Eine Alternative wäre auf den ersten Blick On2s VP8. Nachdem Google On2 endgültig gekauft hat, könnten sie wie von der Free Software Foundation gefordert den Codec als Open Source veröffentlichen. Allerdings stellt dieser Codec im Moment gerade für die Internet-TV-Boxen und Fernseher keine Alternative dar. Fast alle Boxen haben eine eingebaute H.264 Hardwarebeschleuningung, die selbst HD in 1080p ruckelfreie abspielt. Fehlt die Hardwarebeschleuningung wie bei VP8 ist nicht mal mehr ein SD Stream ruckel frei zu sehen.

Konkurrierende Plattformen

Adobe Flash

ZZ4CB7AF47Adobe Flash ist mit über 75% der ausgelieferten Videos, die dominante Videoplattform im Internet. Mit einer Plugin-Penetration von >98% kann Adobe auf allen Betriebssystemen und in allen Browsern Videos abspielen.

Woran es bisher gehapert hat war der Flashsupport auf Mobiltelefonen und vor allem auf den CE Geräten. Für diese Geräte hatte Adobe Flash Lite vorgesehen, allerdings konnte Flash Lite nie an den Erfolg des Browserplugins anknüpfen.

Mit Flash 10.1 soll das nun besser werden. Flash 10.1 bietet eine Runtime für alle Geräte und Hardwareplattformen, doch damit nicht genug. Adobe kooperiert mit Intel so dass Flash 10.1 nativ auf Intels CE Atom Chips läuft, was den Intel-Chip wiederum mit der ebenfalls integrierten HD Videobeschleunigung zu einem idealen Herzstück für Internet-Link Boxen und Fernseher macht. Zudem Versucht Adobe mit dem Open Screen Project Device übergreifende Applikationen und Funktionen zu forcieren.

Schafft es Adobe Flash 10.1 endlich zur Marktreife zu bringen öffnen sich die Schleusentore auf dem Fernseher. Flash, Adobe AIR und Videoapplikationen laufen mit geringen Interface Anpassungen plötzlich auf dem TV. Genau diese Schleusentore möchte Apple natürlich nicht für das iPhone und das iPad öffnen verdient man doch so gut am Appstore. Deshalb wird Apple wohl weiterhin der einzige Smartphonehersteller ohne Flash Support bleiben.

Apples iPhone OS X

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Das iPad hat gezeigt, dass Apple größere Ambitionen mit dem iPhone OS hat als nur Handys damit zu bestücken. Auf dem AppleTV läuft es zwar noch nicht aber ich gehe stark davon aus, dass dies nicht mehr lange so sein wird. Momentan handelt es sich beim AppleTV um ein geschlossenes System, für das der User lediglich Inhalte kaufen oder über iTunes einspielen kann.

Da sich alle anderen Angebote zunehmend für Applikationen und Drittanbieter öffnen, fällt das notorisch unerfolgreiche AppleTV noch weiter hinter der Konkurrenz zurück. Dem könnte Apple entgegen wirken indem sie das iPhone OS auf AppleTV portieren und so dem User Zugang zu hunderttausenden Applikationen geben. Gleichzeitig profitieren tausende von Entwicklern von einem weiteren Ausgabegerät. Apple müsste nicht mehr verschiedene Codebasen warten und weiterentwickeln und könnte sich zudem ähnlich wie Adobe mit Flash Gedanken machen, wie sie den Device-Shift am besten lösen – ein Problem, das immer akuter wird.

Android

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Was bei Apple noch pure Spekulation ist, ist bei Android bereits Realität. Es existieren erste Set-Top-Boxen, die auf Googles Handy Betriebssystem zurückgreifen. Auch hier erschließt sich den User neben dem Videokonsum gleich noch ein ganzes Universum an weiteren Applikationen, die plötzlich über den Fernseher genutzt werden können.

Android hat seine stärken sicherlich im Google Support und im SDK und erlaubt es so schnell und relativ einfach Boxen auf den Markt zu bringen.

DivX TV

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Als Codec ist DivX heutzutage in fast allen CE-Geräten präsent, so dass DivX Videos auch auf dem Heimischen DVD-Player oder Festplattenrecorder abgespielt werden können. Nachdem das Experiment mit dem Videohosting über Stage6gescheitert ist, will sich DivX nun als Plattform positionieren, die nicht nur den Codec bietet sondern auch gleich Logik, Billing, Inhalte und Applikationen mitbringt. Während dieser Ansatz sicherlich für die großen CE-Hersteller nicht in Frage kommt könnte das rundum sorglos Paket bei kleineren Anbietern durchaus auf Gegenliebe stoßen.

XBMC

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Die aus dem XBox Media Center Projekt hervorgegangene Software XBMC ist mittlerweile die Grundlage für verschiedene Media Center Lösungen von Boxee über Plex bis hin zu Voddler. Dass man auch Boxen mit der Software ausliefern kann, zeigt die Boxee-Box.

Je nach Derivat der Software sind noch zusätzliche Schichten eingezogen, wie z.B. das Payment und der Social Graph bei Boxee. Diese Schichten sollen den User an den jeweiligen Anbieter binden.

Anders als bei den bisher vorgestellten Plattformen steht hinter XMBC die Open Source Community, ohne dass direkt Konzerninteressen verfolgt werden, wie dies z.B. bei Android der Fall ist. Somit ist auch nicht zu befürchten, dass die Applikationen und Schnittstellen in Zukunft beschnitten oder durch Approval-Prozesse beschränkt werden.

Browser und CE-HTML

Mit CE-HTML gibt es einen HTML Standard mit dessen Hilfe Applikations- und Webseitenentwickler ihre Produkte für den Fernseher optimieren können. Auf der Geräte Seite muss dafür lediglich ein entsprechender Browser integriert werden, der die Webseiten korrekt darstellt. Mit der breiten Adaption dieses Standards ließe sich eine Abkopplung der Applikationen auf dem Fernseher von den Applikationen im Netz vermeiden.

Der Nutzer erhielte über den entsprechenden Browser einfach Zugriff auf das „normale“ Internet und die jeweiligen Anbieter dort können entscheiden ob sie ihre Seiten für diese Nutzer mit CE-HTML optimieren möchten oder nicht. In meinen Augen ist dies eine der charmantesten Lösungen, allerdings gibt sie natürlich den Hardwareherstellern auch die geringste Kontrolle über das was über ihre Boxen passiert. Aber neben der Schaffung eines künstlichen Walled-Gardens kann ein Hersteller jedoch auch über andere Funktionen einen Login erzeugen. So könnte er z.B. eine ausgefeilte Startseite bereitstellen, die dem User direkt gute Inhalte aus dem Netz vorschlägt oder ähnliche Services anbieten, die dem Nutzer einen Mehrwert bieten (Mehr zu den Services im nächsten Post).

Proprietäre Systeme

Inspiriert von Apples Appstore Erfolg haben sich verschiedenste Anbieter aufgemacht und für ihre Plattformen ebenfalls SDKs herausgebracht. Roku hat sein ehemals geschlossenes System geöffnet und ermutigt nun Entwickler Applikationen für die Box zu schreiben. Ähnlich ist Vudu verfahren auch dort können Entwickler Applikationen für die Plattform bereitstellen. Beide Anbieter leiden leider etwas unter ihrer mangelnden Reichweite, denn warum sollte ein Entwickler eine Vudu App schreiben, wenn er statt dessen eine Android, iPhone oder Flash-Applikation entwickeln kann? Natürlich wird es einige Flagship Applikationen für diese Systeme geben, allerdings wird wohl die breite Masse an Entwicklern ausbleiben.

Interessant könnte es rund um Samsungs Appstore werden, denn über diesen erhalten Entwickler Zugang auf Millionen verkaufter Fernseher und Blu-Ray-Player. Erweitert Samsung das Konzept noch um einen gleich gestrickten Handy Appstore hätte der Hersteller ein sehr interessantes Ökosystem. Ein anderer spannender Aspekt wird zudem an Samsungs Initiative zu beobachten sein. Wenn Samsung mit seinen Appstore Fernsehern in den Markt kommt wird es interessant welchen Appstore die Konsumenten nutzen, wenn sie die Wahl zwischen einem Appstore, der direkt in den Fernseher integriert ist, und einem, der in einer Box oder einem anderen Zusatzgerät steckt, haben.

Wer gewinnt?

Anders als bei der Hardware ist das Bild bei der Software nicht so einfach zu deuten. Es wird spannend in welche Waagschale Google seine Ressourcen werfen wird, zwar sind sie immer für ein offenes Internet (Browser&CE-HTML) aber wenn es um die Wahl zwischen dem offenen Internet und Android geht bin ich mir da nicht mehr so sicher. Apples Impact hängt stark davon ab, wie sie mit AppleTV weiter vorgehen. In seiner momentanen Inkarnation wird es keine Rolle spielen, aber das muss nicht so bleiben, sollten sie das iPhone OS auf die Box portieren.

Flash wird definitiv einen großen Einfluss auf die Geräte haben, zum einen bietet es Zugriff auf Millionen Inhalte und Applikationen zum anderen ist die Software für die Box einfach handelbar. Der Erfolg von XBMC wird sehr stark davon abhängen, wie gut es den Startups (Boxee etc.) geht, die auf diese Software setzen. Auf sich alleine gestellt wird XBMC ein Nischenphänomen bleiben. Bei den proprietären Systemen wird definitiv das offenste gewinnen.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der monatlichen Gugel-Kolumne für das Blog des eVideo Projekts der HTW Berlin.


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