Live auf Sendung: Livestreams werden populär

Dieser Beitrag entstand für das Hyperland-Blog des ZDFs.

Auf der NewTeeVee live Konferenz in San Francisco verkündete YouTube, dass sie einen weiteren Meilenstein erreicht haben: 35 Stunden Videomaterial werden jede Minute auf das Videoportal geladen. Über diese Zahl können die großen Livestreaming Anbieter im Netz nur lächeln. Allein bei LiveStream.com werden über 50 Stunden Material jede Minute eingespielt und auch die anderen beiden großen Anbieter USTREAM und Justin.TV bewegen sich in ähnlichen Größenordnungen.

Photo: Ilker Aslan

Nachdem Videos schon länger zum Netzalltag gehören etabliert sich Livestreaming zunehmend als wichtiger Teil der online Videolandschaft. Allein im letzten Jahr riefen die Amerikaner 600% mehr Livestreams ab als noch im Jahr zuvor. Als Grund hierfür führt Max Haot – CEO von LiveStream.com – an, dass immer mehr Events live ins Internet übertragen werden – über 95% der Abrufe auf Livestreams erfolgen auf Events.

Nachfrage und Produktion

Von dieser Nachfrage will auch Nova Spivack Gründer von Live Matrix profitieren. Live Matrix bietet einen Programmführer für alle möglichen live Events im Web an. Auf der NewTeeVee Konferenz benannte er drei Merkmale, die Livestreams im Vergleich zu on-demand Inhalten attraktiver machen:

  1. Der Inhalt ist vergänglich und/oder zeitkritisch. Das ist bei den meisten Sportevents der Fall. Nach einem Spiel ist das Ergebnis bekannt und die Spannung nicht mehr gegeben.
  2. Der Inhalt markiert ein bedeutendes Ereignis. Events wie die Amtseinführung von Barack Obama sind nur live interessant, weil sie sich so in das kollektive Gedächtnis einprägen.
  3. Der Inhalt soll den Zuschauer zur Interaktion animieren. Nur über einen Livestream kann gewährleistet werden, dass auch andere das Gleiche sehen und sich alle Zuschauer mit ihren Interaktionen auf den gleichen Sachverhalt beziehen

Aufgrund dieser Qualitäten fesseln Livestreams die Zuschauer deutlich länger als „normale“ online Videos. Die durchschnittliche Sehdauer eines Livestreams liegt zwischen 20 und 30 Minuten wohingegen eine durchschnittliche Videosession bei um die sechs Minuten liegt. Zudem erreichen die Streams ein deutlich höheres Engagement der Zuschauer als on-demand Videos, was sich in Livechats und live Kommentaren zum Stream niederschlägt.

Auf der Produktionsseite hat die breite Verfügbarkeit von Kameras zu einem Boom des Livestreamings geführt so John Ham, der Gründer von USTREAM. Seit der Dienst eine Applikation für Smartphones bereitgestellt hat wird über ein Drittel der Livestreams von einem mobilen Gerät gesendet.

Anbieter und Plattformen

Ryan Lawler (NewTeeVee), John Ham (Ustream), Max Haot (LiveStream), Joshua Siegel (YouTube), Michael Siebel (Justin.tv) v.l.n.r. Photo: Ilker Aslan


Angesichts des rasanten Wachstums des Marktes ist es nicht verwunderlich, dass sich mehrere Anbieter mit Livestreaming versuchen. Bei einer NewTeeVee Podiumsdiskussion waren alle großen Anbieter vertreten: YouTube, USTREAM, Livestream.com und Justin.TV. Im Verlauf der Diskussion wurde die unterschiedliche Ausrichtung der Anbieter deutlich. USTREAM und Livestream.com haben gerade Büros in Hollywood eröffnet und versuchen mehr und mehr premium Events und Partner auf ihre Plattformen zu bekommen. Justin.TV hingegen geht den anderen Weg und möchte Livestreaming für Jedermann anbieten. Die Überzeugung von Michael Siebel dem CEO von Justin.TV ist dabei, dass jeder Nutzer auch ein Contentproduzent ist. Genau dieses Potential möchte Justin.TV adressieren. YouTube wiederum hat im Moment Angst davor die Schleusentore für alle Nutzer zu öffnen und experimentiert deshalb vorerst mit einigen ausgewählten Partnern wie Livestreaming auf der Videoplattform ankommt.

Doch die Zukunft des Livestreamings ist nicht nur vom Wachstum geprägt sondern auch von einigen Herausforderungen. Neben technischen Hürden gilt es vor allem zwei Punkte zu meistern.
Erstens müssen Lösungen für den Umgang mit Urheberrechtsverstößen gefunden werden. Immer wieder werden die Plattformen dafür missbraucht um Livestreams von Fussballspielen oder anderen großen Events ins Internet zu übertragen. Diese illegalen Streams wollen gefunden und abgeschaltet werden, wenn sich die Plattformen als guter Partner für Rechteinhaber positionieren wollen.
Zweitens muss eine Lösung gefunden werden wie mit anstößigen und problematischen Inhalten auf den Diensten umgegangen wird. Wenn Inhalte live übertragen werden ist es nicht möglich sie vorher zu filtern, deshalb versuchen diese Dienste mit Moderatoren und über die Community das Programm zu überwachen um so möglichst schnell eingreifen zu können.

Livestreaming für kleine Zielgruppen und die Masse

Livestreams zu sehen und Livestreams zu produzieren war noch nie einfacher: Jeder mit einem Facebook-Account und einer Kamera kann mit drei Klicks einen Livestream starten. Jeder mit einem Smartphone und der entsprechenden Applikation kann mit einem Klick live auf Sendung gehen.

Die einfache Technik führt dazu, dass immer mehr Nischenprogramme live auf Sendung gehen, die sich ihr Publikum gezielt aussuchen. Die überwältigende Mehrzahl der Livestreams hat unter 50 Zuschauer und meist werden die Zuschauer explizit vom Veranstalter eingeladen. Auf der anderen Seite des Spektrums werden immer mehr große Events live ins Netz übertragen. Diese Events werden groß Beworben und ziehen so eine breite Masse an Zuschauern an.

Wir bewegen uns hin zu einer extrem fragmentierten Senderlandschaft mit einem sehr breiten Nischenangebot für spitze Zielgruppen und ausgewählten Highlights für ein Massenpublikum.


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