Konferenzbericht: NewTeeVee Live 09 – The Year of TV Everywhere

Letzte Woche war ich auf der NewTeeVee Live, einer der besten Videokonferenzen auf denen ich bis jetzt war. Kurze knappe Vorträge, die direkt auf den Punkt kamen, gepaart mit einem breiten Fachpublikum und vielen interessanten Kontakten.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde klar: Video ist erwachsen geworden. Das zeigte sich schon am Teilnehmerverzeichnis. Mit Cisco, CBS, Google, YouTube, Comcast, Netflix und Adobe jeweils in Mannschaftsstärke, haben die etablierten Unternehmen klar die Mehrheit der Teilnehmer gestellt, nichts desto trotz waren natürlich viele Startups aus dem Videobereich vertreten.

Microsoft bringt Video ins Wohnzimmer

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Microsoft war zwar nicht in Mannschaftsstärke vertreten, trotzdem hat Marc Whitten, General Manager der XBox Live mit wenigen Sätzen eindrucksvoll seine weiteren Pläne für das Wohnzimmer vorgestellt. Während sich der ganze Buzz im Nachhinein um die kommende Facebook und Twitter Integration drehte, waren für mich die Demo des Sky Players auf der XBox und der Zune Shop die wirklich interessanten Details.

Nachdem Netflix auf der XBox extrem erfolgreich ist, war die Integration des Zune Shops nur eine logische Konsequenz, doch die Implikationen sind riesig. Microsoft hat damit Zugriff auf 33,5 Millionen Wohnzimmer in die sie theoretisch Filme verkaufen können (sofern die Boxen mit dem Internet verbunden sind). Auch die Kooperation mit Sky in UK, wo über die XBox alle Sky-Channel verfügbar sind könnte sich als disruptiv erweisen. Microsoft konkurriert hier direkt mit den Telcos dieser Welt, denen sie an anderer Stelle ihr Mediaroom IPTV Produkt verkaufen.

Und sollte der Sky Player in UK erfolgreich sein ist stark anzunehmen, dass sowohl Microsoft als auch Rupert Murdoch ein großes Interesse daran haben den Dienst in weiteren Ländern (auch Deutschland) anzubieten. Nur zum Vergleich, die Telekom hat >800.000 IPTV Kunden in Deutschland – Microsoft/Sky könnten auf einen Schlag 730.000 XBox Kunden erreichen.

Marc Whitten hat die Vorteile der XBox in einer kleine Analogie schön verdeutlicht. Die XBox ermöglicht nun drei Nutzungzenarien:

Seat back – please entertain me [Video on Demand]. Seat middle – social experience and paying attention to the television [Video on Demand & Twitter, Avatare, Facebook]. Watch and play. Seat foward – engaging experience [Gaming]. We all want these three and we all want to engage like this. The livingroom is the most social place in your home. […] The XBox is an entertainment device. We see nothing than opportunity there.

Dabei sieht er die große Stärke der XBox vor allem darin, dass die XBox Communities aufbaut (z.B. Halo) und nicht nur Zuschauer anzieht.

Boxee bringt eine Box ins Wohnzimmer

Nach einigen anderen Rednern betrat Avner Roven der Gründer von Boxee die Bühne und ich muss sagen er hat deutlich Schwung gebracht, vor allem deshalb, weil er kaum sein Produkt beworben hat. Warum auch? Alle waren hin und weg nachdem er kurz angekündigt hatte, dass es eine Boxee Box geben wird und die Beta am 7. Dezember gelaunched wird ;)

Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte kamen Avners Thesen für den Videomarkt in 2015.

  • Internetshows > TV Shows. Der Markt für Internetshows wird größer als der Fernsehshow Markt.
  • Apple subs > Comcast subs. Apple wird mehr Abonneten für seinen Pay-TV Dienst haben als Comcast (das hat Comcast natürlich nicht geschmeckt).
  • People will watch more video and will PAY more for it. Der gesamte Markt für Video und Fernsehen wird weiter wachsen.

Avners Kernthese war dabei: „The future is not TV everywhere but internet everywhere, also in the living room.“ Womit er alle walled garden Ansätze für obsolet erklärt.

Comcast verteilt Videos außerhalb des Wohnzimmers

Mit Amy Banse President, Comcast Interactive Media, kam die Konferenz dann zum namensgebenden Thema: TV Everywhere. Im Kern geht es darum, dass es den Kabelabonnenten ermöglicht werden soll von überall auf ihre Programme zuzugreifen. Dies Umfasst sowohl beliebige Geräte als auch Standorte und soll sowohl on demand als auch live funktionieren. Die Kernfunktionalität dieser Initiative ist die Authentifizierung sowohl für User als auch Geräte, denn nur so kann sichergestellt werden, dass die Inhalte nicht beliebig weiterverteilt werden.

TV Everywhere soll die Abhängigkeit der Programmanbieter von den Cable-Cos auch im Internet gewährleisten indem sie den Fernsehsender ein rundumsorglos Paket anbieten. Distribution über Kabel und Internet, beides garantiert von Nielsen getrackt, so dass den Sendern kein Zuschauer verloren geht, das ist der Pitch.

Auch wenn dieser Ansatz sehr speziell auf den amerikanischen Fernsehmarkt zugeschnitten ist, ist die zugrundeliegende Idee, nämlich Fernsehen vom Distributionsmedium zu lösen sehr mächtig. Denkt man diesen Gedanken weiter Bedeutet das TV as a Service. Ein Modell, das gerade in Bezug auf Software und alles was so rund um Cloud Computing passiert sehr populär ist.

Cisco wettet auf Video

Cisco hat in den vergangen Jahren schon sehr stark vom Videoboom profitiert. Als Hardware und Infrastruktur-Anbieter ist der hohe Bandbreitenbedarf gut für das Geschäft und von daher verwundert es nicht weiter, dass Cisco genau in die gleiche Kerbe schlägt: TV as a Service (Cisco nennt es Medianet) ist die Zukunft. Dabei wird in einem Nebensatz ganz geflissentlich IPTV für tot erklärt:

The dawn of a new era to transform the video ecosystem: IP Video
First Wave: Digital Cable => Closed and walled garden.
Second wave: IPTV => It has fallen short on the promise.
Third wave: IP Video => This is on the forefront of all minds.

Dabei ist IPTV ein Geschäftsfeld in dem Cisco zumindest stand heute immer noch sehr aktiv ist, doch aus Konzernsicht scheinen wohl IP Video und die Edgenetworks deutlich attraktiver zu sein.

Netflix will die Weltherrschaft

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Reed Hastings, Co-Founder und CEO von Netflix, hat ein kleines Wunder auf der Bühne geschafft. Er hat es fertig gebracht in vier einfachen Sätzen seine Pläne zur Weltherrschaft zu erklären, während er gleichzeitig Om Malik bei allen anderen Fragen ausgewichen ist. Wie erklärt man seinen großen Plan ganz einfach?

  • Wi-fi is a < $10 component.
  • Wi-fi will be in any consumer electronic device shortly – even my toaster has wifi.
  • Netflix is the killer app for broadband.
  • Netflix will be on any wi-fi device.

Ein netter Plan und nebenbei charmant verpackt – es ist immer am besten seine Pläne klar zu kommunizieren solange einem niemand wirklich zuhört ;)

Adobe will eine Plattform

Anders als Netflix will Adobe nicht nur auf den Wi-fi Geräten vertreten sein, sondern am liebsten auf allen Geräten. Dazu treibt Adobe die Integration von Flash in alle möglichen Geräte voran, unter anderem mit Mulit-Touch Support, cross-device Funktionalitäten und natürlich der Zusammenarbeit mit Chipherstellern sowie dem Versprechen einer offenen Plattform.

Den Plattform Gedanken will Adobe vermehrt mit dem Open Screen Project, das versucht Inhalte über verschiedene Screens darzustellen und dem Open Source Media Framework, einem Flash-Playerframework stärken. Ziel ist es laut Kevin Lynch:

The content will be able to be manipulated on different screens. You can continue your games on different devices. Stop playing on your mobile and resume on your TV or PC.

YouTube will persönliche Sender schaffen

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Die zentrale Frage an YouTube war, wie geht es nun weiter und als was sieht sich YouTube. Diese Fragen wurde relativ klar von Hunter Walk, Director Product Management YouTube beantwortet:

YouTube is no media company but a media catalyst. We connect content creators with viewers.[…] The greatest challenge we have is content discovery. What should be watched today? The future is just one channel – it’s a personalized channel.

Verbindet man diesen Channel-Ansatz, der alle Inhalte dem User direkt liefert mit der anderen Ankündigung von YouTube, dass nun auch 1080p HD-Videos möglich sind wird schnell klar, dass es auf YouTube nicht mehr lange um Clipshnipsel gehen wird. Funktioniert der persönliche Kanal, wird YouTube Schritt für Schritt den Kanal so umbauen, dass der User nur noch YouTube „anzuschalten“ braucht und sofort in HD unterhalten wird.

Angesichts eines 10% HD-Anteils bei den Uploads dürfte YouTube genügend Material dafür zur Verfügung stehen. Diese Inhalte will YouTube natürlich auch auf den Fernseher bringen und wird weiter in diese Richtung gehen, dabei denkt YouTube nicht nur an die Videos sondern auch an die Werbung.

We have to put the ads in the player so it follows the video around the different sites. The ad will follow the video stream wherever the users is.

Auch die Sorgen um YouTube Bandbreiten-Rechnung wurden einmal mehr entkräftigt. „We make these decisions [1080p] in a respectfull manner.

Roku will sich öffnen

Nach Apple, Google und Boxee hat sich auch Roku vom Appstore Virus infizieren lassen.

Roku will offer a channel store as kind of an open platform offering the consumer everything he wants. Everyone can build a channel with the SDK that roku is offering. […] No adult content, quality control and everyone has to agree to the clean interface that roku is offering.

Angesichts mehrere hunderttausend verkaufter Boxen und einem sehr aktiven Publikum, das pro Session 2 1/2 Stunden mit der Box verbringt, könnte sich das Ökosystem als attraktiv erweisen – sollten die Hürden nicht zu groß sein. Rokus USP ist dabei ganz klar: The roku box is a low risk investment. $79 sind wirklich ein Schnäppchen ;)

Redbox will weiter DVDs verleihen

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Nach all den digitalen Innovationen durfte redbox die Gemüter wieder etwas abkühlen, denn mit einem simplen analogen Modell, dass sich lediglich einer schlauen digitalen Logistik bemüht macht die Firma Millionenumsätze. Was macht rebox? We’re just an old school DVD rental stations. We rent DVDs for a dollar a night. Done! Das ist natürlich ein Understatement. Redbox hat 26.000 Automaten aufgestellt und an jedem dieser Automaten können Filme geliehen werden, die danach wieder an einem beliebigen anderen Automaten abgegeben werden können. Online können die Kunden sich Filme reservieren oder nachschauen welche Filme an welchem Automaten zur Verfügung stehen.

Mit diesem Modell verleiht Redbox bis zu 1,8 Millionen Filme pro Tag und das Geschäft boomt, so dass Rebox jeden Monat 1000 neue Automaten aufstellt. Die Automaten werden dabei möglichst in großen Einkaufszentren oder anderen viel frequentierten Plätzen aufgestellt um dem Kunden dort zu bedienen wo er sowieso schon ist.

Redbox habe zwar die digitaler Distribution auf dem Schirm, sieht aber im Moment absolut keine Veranlassung sich in diese Richtung zu bewegen, denn das Geschäft wachse weiter und würde dies auch noch die nächsten Jahre tun. Physikalische Distribution, sofern man es richtig macht, hat also auch für die Filmindustrie durchaus noch so einiges zu bieten.

Konferenz Fazit

Die NewTeeVee Live 09 war die Reise auf jeden Fall wert. Die Konferenz war klar strukturierte und minutiös geplant, bis dahin habe ich es noch nicht erlebt, dass jeder Slot perfekt in der veranschlagten Zeit blieb und zwar auf die Minute (nicht zu kurz, nicht zu lang). Durch diese Disziplin gelang es der NTVL einen kompakten und guten Überblick zu den momentanen Videotrends zu geben. Von daher hoffe ich euch nächstes Jahr dort zu treffen ;)


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