Rahmenbedingungen einer Web-Video-Produktion

Mittlerweile sind Produktionsfirmen für Internet-Videos keine Seltenheit mehr. Es gibt Studios, spezialisierte Venture–Capital-Unternehmen und Erfolgsgeschichten und selbst in Deutschland gibt es erste Ansätze. Das Ganze hat dazu geführt, dass es nun bereits einige speziell für das Internet produzierte Serien gibt, die in guter alter Fernsehmanier in Staffeln und Episoden unterteilt werden.

$500 000 für eine Staffel?

Doch so mancher Erfolg scheint dem einen oder anderen Produzenten zu Kopf gestiegen zu sein, denn anders lässt es sich in meinen Augen nicht erklären, dass man für die Produktion einer Webisode über $80 000 ausgibt. Quaterlife kostet soviel und wird von Marshall Herskovitz und Edward Zwick im Auftrag von MySpace produziert. Eine Episode ist 48 Minuten lang und kostet um die $500 000. Nach der Produktion wird sie in sechs Stücken à acht Minuten auf MySpace ausgestrahlt.

Bei MySpace läuft das ganze Unterfangen deshalb wohl als Marketing ähnlich wie Bebo, das mit Kate Modern, der rechtmäßigen Lonelygirl15 Nachfolgerin, auf Userfang geht. Dabei fällt mal wieder auf, was erfolgreiche Webisodes brauchen: Eine leicht(est) bekleidetet Hauptdarstellerin und ein Gadget (Handy, Kamera …).

Quaterlife screen

Quaterlife folgt auch diesen Regeln und trotzdem regt der Umfang der Produktion zum Nachdenken an. Sillicon Alley Insider rechnet vor, dass jedes Video – je nach TKP – zwischen 1,7 und 2,8 Millionen Mal gesehen werden müsste um sich zu rechnen. Das ergibt insgesamt bis zu 16 Millionen Zuschauer für die gesamte Produktion. Dabei wurden jedoch nur die reinen Produktionskosten berücksichtigt, was in diesem speziellen Fall unter Umständen gerechtfertigt ist, doch für alle anderen Produktionen sicherlich nicht so übernommen werden kann.

Ist es realistisch für sechs Videos jeweils über 1,7 Millionen Zuschauer auf MySpace zu generieren? Nein! YouTube bringt es auf ca. 2,4 Milliarden Videoaufrufe im Monat – MySpace „nur“ auf ca. 300 Millionen – und trotzdem gibt es auf YouTube nur ein paar duzend Produzenten, die es auf mehr als 1,7 Millionen Aufrufe bei sechs oder mehr Videos bringen. Das heißt ganz klar man kann nicht mit dieser Menge an Aufrufen rechnen. Zumindest nicht, wenn man das Video nur bei YouTube oder MySpace platziert. Hinzu kommt noch, dass durch den Episodencharakter mit einer durchgehenden Geschichte, es kaum gelingen wird einen signifikanten Schwund der Zuschauer mit der Zeit zu verhindern.

Was darf eine Produktion kosten?

Production Costs vs. Web Revenue

In meinen Augen ist Quaterlife ein Beispiel für eine Produktion, deren Kosten weit über dem liegen, was sich über Werbung im Internet refinanzieren lässt. Die Werbeumsätze eine Web-Produktion werden maßgeblich von der Publikumsgröße bestimmt, die sich nicht beliebig steigern lässt und stark vom gewählten Distributionsansatz abhängt. Des Weiteren hängen die Umsätze natürlich vom Vermarktungsansatz und den durchsetzbaren Werbepreisen ab.

Ausgehend von diesen Prämissen kann man folgende Überlegungen anstellen um festzustellen, was eine Web-Produktion in Deutschland kosten darf. Je nach Art der Web-Produktion können sich Zuschauerzahlen unterschiedlich zusammensetzen. Ein Videoblog zum Beispiel kann mit der Zeit ein Stammpublikum für neue Episoden aufbauen, wird jedoch – wenn es sich um eines der vielen tagesaktuellen Formate handelt – kaum auf eine signifikante Zahl an Zuschauern älterer Videos kommen. Wohingegen ein Unterhaltungsformat mit in sich abgeschlossenen Videos auf ein gewisses „Grundrauschen“ bauen kann, das aus dem Abruf älterer Videos resultiert. Im Gegensatz dazu muss eine Web-Serie wie Quaterlife mit abnehmenden Zuschauerzahlen mit dem fortschreiten der Staffel rechnen.

Schätzung

Ich schätze in Deutschland kann man auf einer Plattform (YouTube, MyVideo) für eine „massentaugliche“ Web-Produktion im Durchschnitt maximal 120 000 Zuschauer pro Folge generieren. Gleiches gilt für ein tägliches Videoblog. Streut man die Inhalte über mehrere Plattformen und Portale ist sind 500 000 Zuschauer pro Video durchaus ein realistisches Ziel. Eine Webisode wird wohl über der 500 000er Marke anfangen. Aber bis zum Ende der Staffel schätze ich auch hier, dass es sich der Durchschnitt in der Region um 500 000 Zuschauer einpendeln wird.

Anders als im Fall von Quaterlife wo es sich um eine Auftragsproduktion einer Plattform handelt muss eine unabhängige Produktion mit erheblichen Abschlägen bei den Werbepreisen rechnen:

  • Kleineren Produktionen müssen ein Salesteam beschäftigen; größere Produktionen zahlen eine Provision an den Vermarkter.
  • Distributionspartner und Plattformen wollen natürlich an den Werbeeinnahmen beteiligt werden. Wird der Inhalt nur über die eigene Seite verbreitet geht ein ähnlicher Betrag für Traffic-Akquisition und Hosting drauf.
  • Je mehr Zuschauer eine Sendung generieren soll umso aufwendiger und teurer wird die Distribution und umso schwieriger wird es Werbeleerzeiten zu vermeiden.

Wie schwierig die Vermarktung einer Web-Video-Produktion ist, zeigt der Eiertanz von Rocketboom. Begonnen hat alles mit selbstgedrehter Werbung. Die Werbeplätze wurden über Ebay versteigert. Dann gab es vor kurzem ein sponsoring Programm und nun wird die Vermarktung von Blip.TV übernommen und Banner im Video sowie ein Post-Roll-Spot angezeigt.

In Deutschland gibt es noch keine vergleichbaren automatisierten Möglichkeiten. Man ist zur Vermarktung also entweder auf Eigeninitiative angewiesen oder muss sich wie Ehrensenf einen Vermarkter suchen. Das alles führt dazu, dass von stolzen Werbeeinnahmen letzten Endes nur noch ein Bruchteil zur Refinanzierung der Produktion übrig bleibt. Aufgrund der Zuschauerschätzung und diesen Gegebenheiten gehe ich davon aus, dass man in Deutschland maximal ca. 4000 Euro Produktionskosten über Werbung refinanzieren kann und das nur, wenn auch wirklich das komplette Zuschauerpotential ausgeschöpft wird. Weitere Kosten müssen dann über alternative Erlösformen, wie Productplacement, Merchandising oder fixes Sponsoring refinanziert werden.

Ist das ein Problem?

Diese Kostenstruktur kann zum Problem werden, wenn man mit Hollywoodregisseuren und Fernsehbudget plant. Jedoch bin ich der Meinung, dass selbst 4000 Euro für eine Web-Produktion noch zu viel sind und das eigentliche Potential erst ausgeschöpft wird, wenn man es schafft Episoden für mehrere hundert Euro zu produzieren. Als kleiner Vorschlag zur Güte: Quaterlife kann die Produktionskosten pro Episode ganz einfach halbieren/vierteln. Statt acht Minuten geht eine Episode nur noch vier/zwei Minuten, wäre sowieso besser ;)


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